Quantcast
Channel: Kolumnen - Crescendo
Viewing all articles
Browse latest Browse all 246

Der Internationale Terrorismus und seine Auswirkungen auf die Neue Musik

$
0
0

Irgendwann langt’s. Ich meine diese verschissenen Flughafenkontrollen. Was das mit Neuer Musik zu tun hat? Einiges…

Vielleicht hat es der eine oder andere schon Mal erlebt, dass er rausgepickt wird an der Kontrolle, um dann irgendwelche erniedrigenden Unterleibsvisiten über sich ergehen zu lassen, aus welchen Gründen auch immer (allein deswegen schon bin ich dezidiert für den Nacktscanner!).

Aber glaubt mir, wenn man Neue Musik spielt, passiert einem das öfter. VIEL öfter.

Weil man immer irgendwelchen Quatsch mit sich rumschleppt. Scharfkantige Metallschrauben für präparierte Klavierstücke von Cage, wie kleine Bomben der Ordnung halber in Briefumschläge gepackt und mysteriös beschriftet. Kupferne Dachrinnen (aus Berlin, denn nur die klingen so richtig spahlingisch) für ein Stück von Mathias S. Kinderpistolen, Quietscheentchen und afrikanische Rasseln aus den Hoden einer ausgestorbenen kenianischen Nashornart für ein Stück von Maurizio Kagel. Bluetac, Weather Stripping, Pritt Softies oder wie die Scheiße auch immer heißt, ihr wisst schon, die bappende Masse, mit der man gefahrlos Klaviertöne präparieren kann, die aber leider exakt so aussieht wie Plastiksprengstoff (Vielleicht ist es das auch in Wirklichkeit). Elektrische Metronome von der Größe einer Handtasche, die man braucht, um einen einzigen Takt der Musik von Brian Ferneyhough zu üben, die aber leider genauso aussehen wie diese elektrischen Bombentimer die immer am Ende einer Folge von „24“ kommen. Ganz zu schweigen von den Kindersargpartituren voller winziger Noten, die einem Laien vorkommen müssen wie der elektrische Schaltplan des Kanzleramtes. Und am schlimmsten: Der ganze Mist den man mitschleppen muss, wenn man die eigene Musik vorstellt und Klaviereffekte in der Neuen Musik zeigt, dazu aber leider ein Flugzeug besteigen muss.

Ich kann gar nicht mehr aufzählen, wie oft ich schon in die skurrilsten Situationen an Flughäfen geriet. Und das war noch vor dem Verbot von Flüssigkeiten im Handgepäck (hätte es dies schon vor 20 Jahren oder so gegeben, hätte eine ganz Generation russischer Pianisten nicht mehr international auftreten können – man denke nur an Svjatoslav Richter). Einmal legte ich den Züricher Flughafen eine Stunde lang lahm, da man die vier elektrischen Sirenen, die ich für mein Stück „Hämmerklavier VIII: Underground“ brauche, für Bomben hielt. Erst beschnüffelte mich ein elektrischer Riechstab, dann ein Schäferhund, dann ein nervöser Schweizer Grenzpolizist. Die Blicke meiner Mitreisenden hätten töten können. Seither spiele ich dieses Stück nicht mehr.

Und immer wieder passiert es mir, dass man für irgendein Performance-Stück Kinderpistolen braucht. Was nun machen? Tue ich sie ins Handgepäck, werde ich zu einem Beamten zitiert, dem ich erklären muss, warum ich dringend eine Kinderpistole an Bord einer vollbesetzten Lufthansamaschine auf dem Weg nach New York brauche. Tue ich sie ins normale Gepäck, wird mein Koffer beim Durchleuchten aussortiert, ich werde ausgerufen, muss meinen Koffer identifizieren und gerate erneut in Erklärungsnot. Egal wie man es macht, ist es falsch. In Bilbao zum Beispiel entschied ich mich Mal für ersteres und durfte dann zuschauen, wie der spanische Beamte die Pistole mit einem hämischen Grinsen in die Tonne wirft.

Sicher könnten Pianistenkollegen ähnliche Geschichten erzählen, aber es geht ja nicht nur uns so. Cellisten kennen das Problem, dass sie für den Transport ihres Cellos meistens ein eigenes Ticket brauchen. Dann kann es aber vorkommen, dass bei der Grenzkontrolle großes Erstaunen darob herrscht, dass man sich einer einzigen Person mit zwei Tickets gegenübersieht. Wo ist diese andere Person? Etwa im Cellokasten? Auf der Rückreise von Malaysia passierte dies dem Cellisten des Ensemble Mosaik, er wurde allen Ernstes nach dem Personalausweis seines Cellos gefragt. Vielleicht hätte er einfach sagen sollen „Im Cellokasten sitzt Dror Feiler, er wollte ein paar musikalische Attentate verüben“ Aber das wäre wahrscheinlich nicht so gut angekommen.

Vielleicht ist am Ende Stockhausen schuld. Nach seinen wilden Sprüchen über das „größte Kunstwerk, das man sich vorstellen kann“, die brennenden Twin Towers, hat uns einfach keiner mehr so richtig lieb. Wir könnten ja zum Beispiel auf die Idee kommen, irgendwelche Helikopter zu kapern und darin böse feixend zu fiedeln, während wir bombenbeladen auf das Kulturamt der Stadt XXX zusteuern (weil dort mal wieder gerade eine Neue Musik-Initiative weggekürzt wurde). Oder wir könnten irgendwas in die Luft sprengen wollen.

Opernhäuser zum Beispiel.

Ach, den Boulez haben sie deswegen gerade schon dran gehabt?

Na seht ihr!

Moritz Eggert


Viewing all articles
Browse latest Browse all 246