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Populopera - Die passenden Opern für unsere Populisten

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Wenn die Welt größer erscheint als eine Oper, ist es gut, sich einmal das Original der Wahrhaftigkeit anzuschauen – das Bühnenspiel. Und dort ist leicht zu erkennen, dass Populisten es langfristig schwer haben. Hier einige Musikempfehlungen an die Populisten unserer Zeit – auf dass es ihnen die Ohren öffnet.

Von Axel Brüggemann

 

Donald Trump

Der zukünftige amerikanische Präsident hat viel versprochen – und allerhand Stimmung gemacht. Eine Grundlage seiner Amtszeit soll die Aufkündigung des Handelsabkommens mit China sein. Vielleicht sollte er die Tradition der beiden Länder in der Oper seines Landsmanns John Adams anschauen. In “Nixon in China” hat der bereits 1972 den legendären Besuch des US-Präsidenten im Lande Maos beschrieben. Grundlegende Frage der Schluss-Szene: “How much of what we did was good?”

Und noch ein typisches US-Werk würde den Horizont von Donald Trump eventuell erweitern: Bereits 1957 hat Leonard Bernstein in seiner Adaption von “Romeo und Julia, der “West Side Story“, nicht nur gezeigt, in welche Tragödie ein gespaltenes Land führt, sondern mit “America” auch einen Song geschrieben, in dem die Latinos ganz selbstverständlich zur US-Kultur gehören.

Vladimir Putin

Ein vom Volke gewählter Mann, der als Zar versagt und sein Land in Chaos und Krieg stürzt – Mit Boris Gudonow hat Modest Mussorgsky ein beängstigendes Bild Russlands gemalt. Nach allerhand Ränkespielen stirbt der Tribun. Aber besser wird nichts. Ein Narr spricht die letzten Worte: “Wehe Dir, Du armes Volk.”

Marine Le Pen

Es war ein Italiener, der Komponist Umberto Giordano, der das Revolutions-Epos “Andrea Chenier” geschrieben hat. Eine Parabel darüber, wie eine populistische Revolution ihre eigenen Kinder frisst. Der ehemalige Wutbürger Gérard ist Revolutionsanführer und lässt seinen besten Freund Andrea Chenier inhaftieren – die Erkenntnis, dass der Mob nicht zu kontrollieren ist, kommt zu spät. Die Liebenden und die Liebe an sich sterben auf dem Schafott der Revolutionäre.


Geert Wilders

Belgien kämpfte für die Unabhängigkeit von den Niederlanden, als in Brüssel “La muette de Portici” von Daniel-Francois-Esprit Auber auf dem Programm stand. In den ersten Akten geht es um einen Fischeraufstand – das Publikum stürmte damals auf die Straßen und begann die Belgische Revolution. Was die Revolutionäre damals nicht mehr sahen: Im letzten Akt der Oper wird der Aufstand blutig niedergeschlagen. Ein Lehrstück darüber, dass blinde Wut nur selten ein erfolgreiches, politisches Mittel ist.

Frauke Petry

Die AfD würde Wagner sicherlich als Leitkomponisten der Nation beschreiben. Aber er hat eben nicht nur Gottgesandte “Führer” wie Lohengrin vertont, sondern in seiner frühen Oper “Renzi” auch gezeigt, wie der eigene Erfolg einem Volkstribun zu Kopfe steigen kann. Am Ende scheitert der Populist ausgerechnet am Volk.

Norbert Hofer

Nicht auszudenken, wenn Hofer im Dezember zum Präsidenten Österreichs gewählt wird und Donald Trumps erste Reise zum Opernball nach Wien führt.  Hofer gibt sich gern bauernschlau – und darin gleicht er dem Schweinebaron Zsupán aus Strauss “Zigeunerbaron“, ein Aufschneider, der die Welt nicht durch Logik, sondern aus dem Bauch heraus erklärt. Nach allerhand Kriegen hofft er, nun endlich seine Tochter “nach oben”, an einen Baron, verheiraten zu können – aber Pustekuchen. Das Herz siegt über die Intrige.

Recep Tayyip Erdogan

Natürlich, wer die Todesstrafe wieder einführen will und seine politischen Gegner verfolgt, dem könnte man Puvvinis “Tosca” nahelegen – hier stirbt der Despot durch das Messer der leidenschaftlich liebenden Schauspielerin Floria Tosca. Aber vielleicht sollte man die Hoffnung nicht aufgeben und Erdogan etwas anderes empfehlen: Mozart, der unendliche Humanist, zeigt in “Die Entführung aus dem Serail” wie gütig ein guter Bassa sein kann: “Nie werd’ ich Deine Huld verkennen.”


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