Bogdan Roščić soll neuer Intendant der Wiener Staatsoper werden. Eine Wahl mit großem Risiko, findet unser Autor.
Man ist mächtig stolz auf sich in Wien: da hat man einen Staatsopernintendanten ernannt, der nichts mit dem Opern-Klüngel zu tun hat, nichts mit den alten Stippen der Stadt – einen Plattenmanager. Der Österreicher Bogdan Roščić soll nun alles ganz anders machen. „Mutig“ wird die Entscheidung von Kulturminister Thomas Drozda genannt, „erfrischend“ und „überraschend“.
Aber Zweifel sind angebracht. Denn so frisch, wie alle tun, ist der 52jährige Bogdan Roščić nun auch nicht. Von Opernhäusern hat er so gut wie keine Ahnung, dafür saß er jahrzehntelang als Steuermann am Ruder und hat mitgeholfen, die Plattenbranche gegen den Titanic-Fels zu fahren: Als Manager von Universal, als Totengräber der DECCA und letztlich als Manager von Sony, wo er – wie so viele andere Plattenmanager – auf Stars, Stars, Stars gesetzt hat, deren Halbwertzeit er mit seinem PR-Tamm-Tamm mächtig verkürzt hat, gerade eindrucksvoll zu beobachten an Sonys Startenor Jonas Kaufmann.
Und so ist es dann auch das Pfund der Vernetzung innerhalb der Klassikszene, das die Hoffnungen auf Roščić in Wien stärkt. Aber mal im Ernst: Das Einzige, was am Haus am Ring gegeben ist, ist doch die Personalpolitik. Es war, ist und wird nicht wirklich schwer sein, große Stimmen auf die Wiener Bühne zu holen. Dafür braucht man Roščić nicht.
Bogdan Roščić hat die österreichischen Politiker mit seinem Konzept einer „Oper 4.0“ verzaubert – was auch immer das bedeuten mag. Mehr Uraufführungen, mehr Audiovisuelles, mehr Neue Medien, mehr junges Publikum. Das alles sind weitgehend hohle Phrasen. Erstaunlich, dass ausgerechnet Plattenboss Roščić auf seiner ersten Pressekonferenz das Gespenst vom Untergang der Oper an die Wand malt und dafür die oft nur halb ausgelastete New Yorker Metropolitan Opera als Beispiel anführt: Ein Haus, das ebenfalls in der Krise steckt, seit es von einem Plattenboss geführt wird.
Die Verpflichtung von Bogdan Roščić zeigt, was in den letzten Jahren oft im Kulturbetrieb zu sehen war: Besonders sozialdemokratische Politiker scheinen ein Faible dafür zu haben, wenn ihnen ein Bewerber verspricht, alles anders zu machen, wenn er ihnen ein bisschen Marketing-Chacka um die Ohren haut und erklärt, dass alles viel einfacher, billiger und größer gehen würde.
Was also erwartet uns mit der Ära Roščić? Er selber will an die Tradition Mahlers anknüpfen (der aber war Dirigent und hat sein Publikum gespalten, war alles andere als ein PR-Intendant). Roščić will neu denken und meint damit wohl, dass er das Haus vor allen Dingen marketingtechnisch nach vorne bringen will – als Musikmanager!
Das ist in der Vergangenheit selten gut gegangen. Erfolgreiche Opernhäuser reiben sich an gesellschaftlichen Debatten, spalten durch Modell-Entwürfe einer Gesellschaft, legen Finger in die Wunden und inszenieren die Oper als jene Welt des emotionalen Scheins, mit der wir es auch in der so genannten Gegenwart von Donald Trump, FPÖ und Co. längst zu tun haben. Kein Wort davon von Bogdan Roščić bei seiner Pressekonferenz.
Es ist nicht wirklich erkennbar, warum Kandidaten wie Elisabeth Sobotka oder Nikolaus Bachler das Nachsehen hatten. Sie haben an ihren Häusern gezeigt, wie man Oper heute auch dramaturgisch und konzeptionell in die Welt stellen kann – und das mit großem Erfolg. Bogdan Roščić denkt da genau anders: Musik ist für ihn in erster Linie eine Sache, die es zu managen gilt. Und in seinen Stationen bei den Plattenlabeln ist er auch deshalb gescheitert, weil er zu oft den Inhalt, die Virtuosität, die künstlerische Aussage dem Marketing geopfert hat. Die Krise der Plattenlabels war in den letzten 10 Jahren nicht nur deshalb eine Krise, weil man den Anschluss an das digitale Zeitalter verpasst hat, sondern auch, weil es Leuten wie Roščić bei keinem seiner Labels gelungen ist, Inhalt in den Vordergrund zu stellen, Künstler aufzubauen und langfristig zu fördern.
Genau das aber wären Tugenden, die Häuser wie die Wiener Staatsoper brauchen. Sicherlich, als Intendant wird Roščić es in Tarifverhandlungen und Auseinandersetzungen mit Chor und Orchester sicherlich schaffen, die zum Teil selbstherrliche und überhebliche Art des Hauses zu stutzen – und heftige Auseinandersetzungen sind vorprogrammiert. Wesentlicher aber wird die inhaltliche Arbeit sein. Als Dirigent verweist Roščić auf einen Mann wie Riccardo Chailly, der Leipzig zu neuen Höhen führte. Leute wie er sollen Teil seines (Achtung!) „Think Tanks“ werden.
Wien ist entzückt, dass nun alles anders werden soll. Ob es wirklich besser wird als Dominique Meyers Biedermann-Oper, ist aber noch offen. Die Salzburger Festspiele haben ihren Wandel da klüger in die Wege geleitet: Nachdem Alexander Pereira (er wäre eine noch schlechtere Wahl als Bogdan Roščić gewesen) die Festspiele auf dem Glamour-Boulevard ganz nach unten gebracht hat, entschied man sich dort für einen klugen Kopf, der inhaltlich denkt, für Markus Hinterhäuser. Einen, der den Content in den Vordergrund stellt und das Marketing als Mittel benutzt. Bei Bogdan Roščić scheint es genau anders herum zu sein.
Zum Feiern ist es also zu früh. Ja, das langweilige und ewige „Weiter so“ ist erst einmal gestoppt. Aber wie genau das „Neue“ aussehen wird, ist unklar. Die Oper darf nicht den Weg der Plattenindustrie gehen. Hoffentlich heißt es auch für Bogdan Roščić in Wien Neudenken und nicht die alten Fehler erneut zu begehen.